Lutz-Werner Hesse · Komponist
Rezensionen 2020 bis heute
Quartett für Flöte, Violine, Viola und Violoncello op. 88
Die Musik ist äußerst farbenreich und unterhaltsam im besten Sinne.
Westdeutsche Zeitung, 20. März 2024
Der Einsiedler
Motette auf einen Text von Joseph von Eichendorff für vier- bis siebenstimmigen Chor a cappella op. 80
Das Lied „Der Einsiedler“ von Hesse faszinierte durch das wie selbstverständliche Spiel mit Konsonanzen und Dissonanzen; herrlich die farbigen Fermaten und die sich aufbauende strahlende Schlusskadenz.
Michael Kristahn, Westdeutsche Zeitung, Wuppertal, 17. April 2023
Viertes Streichquartett mit Mezzosopransolo op. 33 „Hamlet-Quartett“
Iris Marie Sojer, Solistin an der Wuppertaler Oper, hatte einen starken Auftritt. Zusammen mit Annette von Hehn und Eva Högel (Violinen), Werner Dickel (Viola) und der ehemaligen Dozentin Susanne Müller Hornbach (Cello) führte Sojer Hesses „Hamlöet-Quartett“ auf. Orientiert an der Form des viersätzigen Streichquartetts evoziert die Komposition aus dem Jahr 1999 die Hauptfiguren des Shakespeare’schen Dramas. Doch während der tragische Held und seine Gegenspieler mit rein instrumentalen Mitteln dargestellt werden, ist das finale Mezzosopran-Solo Hamlets Geliebter Ophelia gewidmet.
Neben der Integration einer Gesangsstimme sind es die schrillen Dissonanzen in den Streichern, die das klassische Quartett-Format aufbrechen. Im Kopfsatz ließen die Musiker mit jähen Tempowechseln Hamlets Charakter ahnen, der zwischen Grübeleien und emotionalen Ausbrüchen schwankt. Eine Zuspitzung in jeder Hinsicht war der Auftritt der Königin, bei der sich die Violinen in geräuschhaften Tönen ergingen. Schnell attackierende Läufe entlarvten geradezu die Figur des Claudius , König und Königsmörder in einer Person. In diesem Sinne stellte der Finalsatz einen größtmöglichen Kontrast dar. Die Schilderung von Ophelias Tod … trug Sojer zunächst als rhythmisch prägnantes Rezitativ vor. Den leichten, fast lyrischen Ton steigerte sie zu virtuosen Melismen.
Westdeutsche Zeitung Wuppertal, 26. Januar 2023
Quintett für Horn, zwei Violinen, Viola und Violoncello op. 85 (2020)
Nach der Pause erzählte Lutz-Werner Hesse die Geschichte des Werkes der zweiten Uraufführung. Er hatte 2019 von Detlef Muthmann einen Kompositionsauftrag für ein Stück für Blasinstrument und Streichquartett erhalten. Das sollte in einem Konzert der Kammermusikreihe uraufgeführt werden. Der Komponist entschied sich für das Horn „Es ist mein Instrument. Mit diesem Blasinstrument kenne ich mich am besten aus“.
Er behandelte das Horn hier durchaus in der Aura und Tradition des 19. Jahrhunderts, hatte es in der Romantik doch einen hohen Stellenwert, obwohl es selten kammermusikalisch eingesetzt wurde. Für diese Besetzung gibt es seit Mozart nur wenige Stücke. Im kurzen quasi improvisierenden Prolog stellt das solistische Horn vom tiefen G bis zum hohen b nach langen Quinten seinen Tonumfang in ruhigen ersten Tönen bei noch unbestimmtem Takt zusammen.
Erst das Streichquartett findet dann zum ungewöhnlichen, schwankendem 7/8 Takt. Die Mittelstimmen liefern durchlaufende Sechzehntel-Terzen über einem Ostinato des Violoncellos, welches viel später mit schwankendem Rhythmus wiederkehrt. Erste Violine und Horn beginnen einen Zwiegesang, später cantabile übernommen von der sonoren Bratsche und endlich dem Violoncello. Fugato, Elemente von Kontrapunkt Nach Ende der Hornkantilene ergreifen nach und nach die Sechzehntel das ganze Streichquartett, welche accelerando nach wüstem Absturz beim trillernden Cello in der Tiefe landen, zuletzt nach starkem Pizzi-Ritardando aller auf G-endet. Aus acht Sätzen besteht das ganze Werk, bringt Kantilenen, Fugato, Elemente des Kontrapunktes, also durchaus konventionelle Musikelemente. Im Zentrum steht ein „Lento misterioso“ mit merkwürdig-befremdlicher Stimmung: sechs Takte scharfen, geheimnisvollen Klangs im Pianissimo, wenn das Bogen-Tremolo unmittelbar auf dem Steg ausgeführt wird. Den anspruchsvollen, kantablen, technisch schwierigen Hornpart spielte Sybille Mahni souverän und mit großem Ausdruck. Das Quintett wirkt alles andere als atonal, vermittelt keinen Schock der Moderne, sondern eher nahezu volkstümlichen Charakter.
Das Publikum zeigte sich mit starkem Applaus und Bravorufen für den Komponisten wie für die Ausführenden sehr angetan.
Johannes Vesper in: Musenblätter, 1. März 2022
Quintett für Horn, zwei Violinen, Viola und Violoncello op. 85 (2020)
Das beeindruckende einsätzige Stück …
Ausdrucksstark und in einer tollen Kombination der Instrumente changierte es zwischen Leichtigkeit, geheimnis- und kraftvoll. Das Schumann Quartett der Brüder Mark, Erik und Ken Schumann ergänzt durch den Bratschisten Veit Hertenstein, überzeugte auch hier, ebenso wie (die Hornistin) Mahni durch überragendes Können. Technisch präzise, traumwandlerisch sicher ein absoluter Hörgenuss.
Bernadette Brutscheid, Westdeutsche Zeitung, 1. März 2022
Rezension der CD „Ich habe Dich gewählt …“
Symphonisches Gedicht Nr. 2 auf Texte von Else Lasker-Schüler für Mezzosopran, Sprechstimme, Chor und großes Orchester
Diese beiden Liveeinspielungen mit wenigen unterdrückten Hustern, viel dramaturgischer Spannung und den großartig aufgelegten Orchestern gefällt durch Qualität und Lebendigkeit. Zumal derzeit echte Konzerte in großer Besetzung kaum auf übliche Art möglich sind, suggerieren die hier vorliegenden Aufnahmen die lang vermisste Konzertatmosphäre.
Den Anfang macht der Zyklus Ich habe dich gewählt … nach Texten von Else Lasker-Schüler. Komponist Lutz-Werner Hesse verwebt Spätromantik mit gemäßigter Postmoderne und lässt so jeden Satz mit schier unerschöpflicher Dramatik ertönen. Dabei wird es musikalisch nie akademisch, denn Hesses Musik ist voller Kraft und Farbigkeit, für Bühne und Publikum konzipiert. Iris Marie Sojer (Mezzosopran) meistert ihre Partie grandios und wohl artikulierend. Als strahlende Solistin schwebt sie über dem Sinfonieorchester Wuppertal (Leitung Julia Jones), dem Opernchor der Wuppertaler Bühnen und die verstärkenden Amici del canto.
Sprecher Thomas Braus deklamiert zu Beginn, a cappella mit dramatischen Pauken am Ende, ein Gedicht von Lasker-Schüler („Prolog“). Sanft kommt der zweite Satz („Das Lied meines Lebens“) daher, dann startet mit volltönendem, kurzen Fagottsolo der dritte Satz („Vollmond“), von Sojers Mezzosopran mit der vollen Süße der Spätromantik vorgetragen, assistiert von einer eleganten Oboe. Auch die Chöre dürfen wieder mit warmen Klang ihre Stimmen im nicht allzu polyfonen Satz ertönen lassen. Der vierte Satz („Ich liebe dich“) startet mit Sechzehntelketten, die nie ganz verschwinden. Blech und Orgel sorgen in den letzten Takten für recht aufgeregtes, aber positives Treiben. Durch frisch klingende Bläserakkorde von allzu großer Süßlichkeit befreit, starten Mezzosopran und Chor nach spätromantischer Einleitung der Streicher in den sanft dahin fließenden Satz „Ich habe dich gewählt …“, dem ein „Tanzlied“ folgt. Hier spielt Hesse mit der Dramatik einer großen, sehr unterhaltsamen Filmmusik. Ein Englischhorn-Solo beginnt den siebten Satz („Gebet“), Mezzosopran und Chöre setzen die schlichte Melodik der Vertonung anschließend sehr gut um. Der „Epilog“ beendet mit großen Akkordblöcken und mächtiger Dynamik (und ruhigem, langen Mittelteil) den Zyklus.
Infinite Landscape. Two orchestral pictures op. 44
Bunte Klangmalerei, weniger Süße und einige Ecken weist Infinite Landscape. Two orchestral pictures op. 44 auf. Live eingespielt vom Philharmonischen Orchester Bremerhaven (Leitung Marc Niemann) bohrt sich vor allem der zweite, weitaus kürzere Satz (Vivace) mit galoppierender Rhythmik und hübschen melodischen Partikeln auf angenehme Art ins Ohr. Der längere erste Satz (Lento solenne, misterioso) spielt mit Klängen und melodiösen Einfällen, unterhält auf frische Art und zeigt, wie bunt die virtuose Klangpalette des Komponisten Hesse ist.
Heike Eickhoff, erschienen in: Das Orchester, 03/ 2021 Seite 76